"Trapped – Gefangen in Island": Entfesselte Gier (2025)

Die Finanzkrise ist vorbei, die Verbrechen sind geblieben. Der isländische Regisseur Baltasar Kormákur erzählt in der Serie "Trapped" von einem nationalen Trauma.

Von Carolin Ströbele

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Von den meisten berühmten Regisseuren gibt es diese eineGeschichte, die ihren Wahnsinn illustriert. Die erzählt, wie weit sie gegangensind, um die perfekte Szene einzufangen. Baltasar Kormákurs Geschichte lautetso: Bei den Dreharbeiten zu seinem Drama The Deep ließ er sich anseinen Hauptdarsteller Ólafur Darri Ólafsson binden und sprang mit ihm in den eiskaltenAtlantik. Warum? Ólafsson, der in der Szene um sein Überlebenkämpft, verschwand wegen des starken Wellengangs immer wieder aus demFokus der Kamera. Der Regisseur schwamm nun an ihn gebunden in die andereRichtung, als Gegengewicht für den Schauspieler. "Er war wiederim Kasten", sagt Kormámkur und lacht. "Ein paarLeute von unserer Crew wollten mich ablösen, aber sie haben es nicht geschafft.Es will eben keiner so verzweifelt die perfekte Einstellung wie der Regisseur."

The Deep wurde 2013 als bester ausländischer Film für den Oscar nominiert, Kormákur giltseither als Meister für klimatische Extremsituationen. Sein letzter großer Film war 2015 dasBergsteigerdrama Everest mit Josh Brolin und Jake Gyllenhaal. Kormákur erzählt darin die Geschichte der tödlichen Expedition von 1996.

Wird man unweigerlich zum Experten für Naturkatastrophen,wenn man in Island aufwächst? "Man lernt auf jeden Fall die Extreme kennen",sagt Kormákur. "Die Natur ist im Sommer unfassbar schön, aber den größtenTeil des Jahres ist es sehr unwirtlich hier. Die Natur kann dein Freund sein,gleichzeitig aber auch dein größter Feind."

Die Grenzen, die die Natur dem Menschen setzt, ist auch dasGrundthema von Kormákurs Serie Trapped – Gefangen in Island, die ab 19. Februar als Fünfteiler imZDF läuft. Es ist Winter im kleinen Dorf Seydisfjordur an der nordöstlichenKüste Islands. Eine dänische Fähre hat gerade angelegt, da ziehen Fischerplötzlich eine Leiche ohne Kopf und Gliedmaßen aus dem Wasser. Ein Schneesturmschneidet den Ort von der Außenwelt ab, die Leiche verschwindet, und es gibt esneue Tote.

Trapped ist ein Kriminalfall nach klassischemAgatha-Christie-Setting: Eine Gruppe von Menschen ist an einem Ort gefangen undder Mörder ist mitten unter ihnen. In dieser Serie ist der erste Mord jedochnur der Auftakt zu weiteren Verbrechen, die noch viel grausamer sind. Wie eineGesellschaft von Gier, Faulheit und Feigheit zerstört wird, ist die zentraleAussage der Serie. Kaum einer der Protagonisten ist am Ende ohne Schuld,auch der Polizeichef Andri nicht.

Die Finanzkrise ist vorbei, die Gier ist geblieben

Dieser massige, bärtige Kommissar sieht aus wie eine depressiveAusgabe von Bud Spencer.Gespielt wird Andri von Ólafsson, der seit The Deep einervon Kormákurs Stammschauspielern ist. Er habe seine Kooperationspartner erst einmal vom Sexappeal seines Hauptdarstellers überzeugen müssen, sagt der Regisseur. Für ihn sei Ólafsson "wie einer derisländischen Berge – oder wie ein Troll". In der Serie trägt Andri trotz größter Kälte und Schneestürmen seine Jacke immeroffen und man fragt sich: Friert dieser Mann nie? Oder spürt er die äußerlicheKälte schon lange nicht mehr? "Andri ist cool, aber innerlich brennter", sagt Kormákur über seine Hauptfigur. Als dessen Ex-Frau mit ihrem neuen Freund zurück nach Seydisfjordur kommt und ankündigt, die beiden Töchter mit nach Reyk­ja­vík zu nehmen, bleibt Andri stumm. Der Ehering, den er immer noch am Finger trägt, spricht für sich. "Andri ist auch in seinem Privatleben trapped – in einer Falle", sagte Kormákur.

Wichtiger als die privaten Verstrickungen sind die gesellschaftlichen Wunden des Landes. Die Finanzkrise ist ein zentrales Thema in Trapped – auch wenn sie nie explizit genannt wird. Man spricht von"damals" und "den anderen Zeiten", wie es Menschen nach einemnationalen Trauma tun. Stimmt das Bild also nicht, das man von Islandgemeinhin hat? Als Musterland im Umgang mit der Krise? "Wir sind schnell wieder auf die Füße gekommen", sagt Kormákur, "aberdie Probleme sind geblieben. Es gibt immer noch Strukturen für gierige Leute außerhalb und innerhalb des Systems. DieKorruption existiert weiter, bei den Panama Papers waren wir ganz oben auf derListe."

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Auch wenn die Krise offiziell überwunden ist: Misstrauen,Angst und Neid sind geblieben. Ebenso wie das rücksichtslose Gewinnstrebendes Menschen. Es geht in Trapped um globale Wirtschaftsinteressenund politische Einflussnahme – eine chinesische Firma will einen riesigen Hafenin Seydisfjordur errichten und versucht dafür im großen Stil Land zu kaufen. Und esgeht um das Handelsgut, das aktuell die größte Gewinnspanne bringt: den Menschen.In der Serie verkörpert von zwei afrikanischen Mädchen, die auf der dänischen Fähre nach Island geschmuggelt und als Sexsklavinnenverkauft werden sollen. "Wisst ihr überhaupt, was bei euch los ist?", fragt derKapitän in einer Szene verächtlich die Dorfpolizisten.

"Ein kleiner Ort ist die ideale Bühne, um globaleFragen zu diskutieren", sagt Kormákur. "In den isländischen Dörfern entscheidensich sogar viel fundamentalere politische Fragen als in Reykjavík. Es geht umausländische Investitionen, um Fischpreise, um Ölpreise. Genau wie in der Serieversuchen auch in der Realität chinesische Firmen gerade, massiv Grundstücke inIsland zu kaufen."

"Trapped – Gefangen in Island": Entfesselte Gier (2025)
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Author: Fr. Dewey Fisher

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